Tasmanien #6: Corinna Wilderness Village
Heute geht es in die westlichste und unberührteste Landschaft Tasmaniens. Unser Ziel ist ein Dorf mitten im Regenwald an der Westküste, direkt am Pieman River gelegen: Corinna Wilderness Village.
Ich bin schon sehr gespannt, wie ich mir das dort vorstellen darf. Aber schon der Hinweg verspricht einsames Goldgräber-Feeling. War es zwei Tage vorher schon einsam auf dem Weg in die Cradle Mountains, dann ist das hier das Ende der Zivilisation – so kommt es uns vor.
Die Ortschaften, durch die wir gemäß Google Maps Routenplanung kommen, bestehen entweder aus fünf Häusern oder fühlen sich an wie eine vergessene Welt. In Rosebery, einem der Dörfer mit fünf Häusern, gibt es den besten Kaffee des Ortes laut Werbeschild. 🙂 Allerdings traue ich mich hier nicht nach einem Cappuccino mit Mandelmilch zu fragen. Ein Long Black tut es dann auch.
Kurze Zeit später kommen wir durch Zeehan, ein durchaus größeres Städtchen. Hier war und ist ein Zentrum für Bergbau-Industrie, es wird bis heute aktiv geschürft und Edelsteine abgebaut. Es gibt daher auch einige hübsche Häuser (da wurde wohl das ein oder andere größere Nugget gefunden ;-)) und auf dem Weg zur Tankstelle (rar hier an der Westküste!) fahren wir glatt durch die Shopping Zone und landen verwirrt im Zeehan Stadtzentrum – aus dem 19. Jahrhundert mit teilweise verlassenen Hotels, Theater und anderen Gebäuden aus der Goldgräber-Zeit. Manche Gebäude werden nun anders genutzt, aber viele stehen leer und verfallen. Wir fühlen uns ein bisschen wie in einer verkappten Westernkulisse.
Touristen scheint es auch nicht wirklich zu geben, man freut sich sichtlich über unser Auftauchen.
An der Ecke finden wir ein geöffnetes Café mit ausgeprägter Bahnhofshallen-Atmosphäre für unser Mittagessen. Im Café wie auch im benachbarten Edelstein-Shop müssen wir uns große Mühe geben, den örtlichen Slang der Einheimischen zu verstehen.
Also geht es nach dem Tanken schnell weiter Richtung Corinna.
Die ersten 30 km verlaufen starr grade aus, mit Höchstgeschwindigkeit durch den Wald, völlig einsam. Dann öffnet sich vor uns eine Hochebene und links können wir das Meer sehen – und geradeaus steht ein riesiger Windpark vor uns. Völlig unerwartet. Kurze Zeit später biegen wir links ab – und die Straßenlage ändert sich schlagartig: einspurige, enge Serpentinen durch dichten Wald. Wir passieren ein Schild, das uns 25 Minuten Fahrtzeit bis Corinna gibt. Und dann steht da noch „Rest Survive The Drive“. Was damit gemeint ist, sollte sich uns auch bald erschließen, denn nach kurzer Zeit geht die enge und kurvige Asphalt-Straße auch noch in eine Offroad-Piste über mit vielen Schlaglöchern. Nach etlichen Kilometern fragen wir uns durchaus, ob wir noch auf dem richtigen Weg sind. Einige Straßenschilder verraten uns jedoch, dass wir kurz vor dem Ziel sind: an der Fähre am Pieman River, um nach Corinna überzusetzen.
Am Fluss angekommen, können wir nur 100 Meter über den Pieman River die kleine Auto-Fähre am anderen Ufer liegen sehen. Es ist niemand weit und breit zu sehen, wann kommt sie also rüber, wenn grade keiner von dort nach hier will? Rechts am Waldrand steht ein Schild und eine Klingel ist angebracht, aha, also wir klingeln nach der Fähre oder dem Lastkahn (Barge), wie es hier genannt wird. Der Fährmann kommt irgendwoher gestiefelt, wirft den Dieselmotor an und zuckelt zu uns rüber. Auto verladen und wieder zurück.
Da sind wir also im Corinna Wilderness Village.
Wie beschreibt man das Corinna Wilderness Village?
Corinna liegt am südlichen Ende der Tarkine, des größten unberührten Regenwald-Gebietes Australiens. Bereits vor 40.000 Jahren wurde dieses Gebiet von den Tasmanischen Aborigines bewohnt, die bis heute eine starke kulturelle Verbundenheit zu dieser Area haben. Das Wort Corinna ist der Aborigine Name für einen jungen tasmanischen Tiger. 🙂
Corinna wurde 1881 von weißen Siedlern besetzt und 1894 zur Stadt ernannt, nachdem eine Flut von Leuten in die Gegend kam, um nach Gold zu schürfen. Das Tarkine Gebiet spielte eine zentrale Rolle in Tasmaniens früher Minen-Industrie und das ist bis heute so geblieben. Immer wieder tauchen auf unserer Fahrt Minengesellschaften auf.
Die Stadt Corinna bestand in dieser Zeit aus zwei großen Hotels, einer Post, einigen Lebensmittelläden und Shops sowie diversen Wohnresidenzen.
Und so ähnlich sieht Corinna heute auch noch aus, nur dass die Post, der Pub und das Haus des Metzgers zu Cottages und Mitarbeiterunterkünften umgebaut wurden, 20 weitere Cottages dazu kamen und die Rezeption gleichzeitig Bar, Café, Restaurant und Mini-Supermarkt ist. Dazu gibt es einen Zeltplatz mit Holzständen im Regenwald und einen Stellplatz für Camper. Am Ufer ankert die Arkadia II, ein kleines Ausflugsschiff aus dem Jahr 1939, das auch heute noch jeden Tag mit Touristen unterwegs ist.
Die Cottages sind modern eingerichtet, aber auch den Möglichkeiten im Regenwald angepasst. Das heißt: Wasser gibt es nur aus der Regenwasser-Zisterne (ist etwas braun beim Duschen und Spülen), Strom nur über Solaranlagen, keine modernen Kommunikationsmöglichkeiten wie Fernseher, Telefon, Internet.
Das Stromnetz ist kritisch, daher gibt es auch nichts mit Heizspiralen in den Cottages: kein Wasserkocher, kein Toaster, kein Föhn. Ein einziger Föhn würde sofort den Strom im kompletten Dorf zum Erliegen bringen, wurde uns sehr deutlich gemacht. Sollte es einen Notfall im Dorf geben, gibt es ein Satellitentelefon, das wie ein Buschtelefon zentral draußen angebracht wurde (das ist das Foto mit der Satellitenschüssel und dem Anhänger). Wir vermuten, dass ein Gegengift gegen einen möglichen Biss einer der vielen Tigerschlangen rundherum auch noch im Kühlschrank direkt gelagert wird. Sonst könnte es im Zweifel etwas lang dauern, bis Hilfe vor Ort eintrifft.
Und auch für reines Trinkwasser wurde gesorgt, das zapft man sich an einem Gartenschlauch hinter der Rezeption in bereitgestellte Flaschen.
Ansonsten gibt’s zum eigenen Vergnügen viele Wanderwege durch den Regenwald, Kajaks zum Paddeln auf dem Pieman River und eine tägliche Ausfahrt mit der Arkadia II durch den Eukalyptus-Wald auf der einen Seite und Dschungel auf der anderen Seite des Pieman Rivers bis zur Mündung in die Hardwicke Bay an den wunderschönen Stränden von Pieman Heads. Man kann viele Tiere beobachten, Possums, Pademelons, Wallabys, viele, viele Vögel und wenn’s blöd läuft auch Tigerschlangen. Die haben wir zum Glück ausgelassen.
Abendessen im Restaurant gibt es von 17 bis 20 Uhr und dann ist es stockdunkel in Corinna und man sucht mit seiner Taschenlampe den Weg in sein Cottage. Spiele, Bücher oder auch heruntergeladene Filme sind dann die Devise, denn sonst könnte es etwas langweilig werden. Ach ja, Reiseblog schreiben kann man an solchen Abenden auch ganz gut. 😉
Wobei uns auch hier auffällt, dass wir mit drei Übernachtungen schon wieder Langzeitgäste sind, denn viele legen die langen Strecken in das Regenwald-Dorf nur für einen Tagesausflug zurück oder bleiben vielleicht eine einzige Nacht.
Die drei Nächte gaben uns die Möglichkeit, sowohl an der Schiffstour der Arkadia II teilzunehmen als auch einige kürzere Regenwaldtouren zu unternehmen. Und dazu erlebten wir den Regenwald sowohl in strahlender Sonne als auch im Regen – und beides hat seinen Charme! Diese Regenwald-Geräusche, die reine Luft, völlige Einsamkeit mitten im Wald, diese Vegetation mit den hohen Bäumen, die es zum Teil nur hier gibt, den riesigen Farnen, bunte Pilze, das Moos an den Baumstämmen, kleine Bäche, die nach dem Regenguss gluckern. Dazu ist es recht kühl bei 8 bis 12 Grad tagsüber und trotzdem schwül. Es ist eine eigentümliche Atmosphäre.
Und so verbrachten wir die knapp drei Tage in dieser ruhigen Atmosphäre und speziellen Stimmung, abgeschieden mitten im Regenwald, übten uns in ‚digital Detox‘ und hantierten mit unserem Gasofen, um endlich wieder mal warme Füße zu bekommen, da die nächtlichen 5 Grad Außentemperatur auch im Cottage zu klammen Handtüchern und kalten Füßen und Händen führte. Die drei Herr Der Ringe Filme hatten wir am Ende auch durch. 🙂
Als wir Ostersamstag unsere Sachen packen, fragt Dirk mich beim Frühstück in unserem Cottage: Und? Wollen wir noch hierbleiben?
Meine Antwort ist klar: Nein, wir reisen jetzt bitte zurück in die Zivilisation. Es war schön hier, aufregend, anders, eine kleine Herausforderung für mich, die ich bestanden habe, aber es reicht jetzt. Lass uns den Rest Australiens kennenlernen.
Und so fuhren wir erst 30 km über Offroad-Piste durch tiefsten nebligen Regenwald bis hin zur trockenen Heidelandschaft zurück in die Zivilisation und kamen in Savage River, einem Arbeiterdorf für die ansässige Minengesellschaft, endlich wieder in einer 4G Mobilfunkzone an. Die war zwar nicht von Bestand, aber Asphalt und 4G brachten eine gewisse Erleichterung bei uns beiden mit sich auf dem Weg nach Launceston, unserer letzten Station auf Tasmanien.
2 Kommentare
AK
Ihr habt wirklich sensationelle Orte fur Eure Reise. Schön, das aus der Ferne mitzuerleben. Mit Tasmanien hatte ich mich noch nicht so richtig beschäftigt, aber es erzeugt bei mir definitiv Fernweh,
simlin76
Wir hätten nie gedacht, dass Tassie uns so gut gefallen könnte, aber es hat eine wahnsinnig schöne Natur, man kann dort wunderbar wandern gehen, es bietet aber auch noch viel mehr mit schönen Stränden, netten Städten, Kultur, Weinbau und eben den besagten Regenwald. Wir können es nur empfehlen. 🙂