Interkulturelle Erkenntnisse

Ich hatte ja versprochen, das ein oder andere interkulturelle Anekdötchen zum Besten zu geben. Und für die ersten Erkenntnisse bot sich ein interkultureller Kurz-Workshop zum Thema an, den wir im Rahmen unseres Projektes erhalten hatten.
Wir sollten uns nach Ländern aufteilen und uns einigen, wie wir generell in unserem Land zu den folgenden Eigenschaften stehen: Pünktlichkeit, direkte oder indirekte Kommunikation, bilden wir Vertrauen eher aus Fakten heraus oder eher durch persönliche Beziehungen und inwiefern ist man als Volk eher analytisch und prozessgetrieben. Weitere Kriterien waren wie man generell zu Regeln steht, werden sie eher eingehalten oder eher nicht und ist man als Volksgruppe eher kollektivistisch geprägt oder individualistisch.
Ok, ich glaube unser deutsches Image ist recht eindeutig und dazu haben wir auch alle gestanden: pünktlich, direkte Kommunikation, Fakten, Analyse, Prozesse, Regeln einhalten. Dazu werden wir eher als individualistisch wahrgenommen.
Und wie sieht es jetzt mit den Kollegen aus den anderen Ländern aus. Wir arbeiten im Projekt mit vielen asiatischen Nationen und die haben zwar eine Tendenz, unterscheiden sich aber im Detail trotzdem.
Ich gebe mal einen kurzen Überblick, wie ich die Eigenangaben der jeweiligen Kollegen wahrgenommen habe:

• Indonesien: hatte den größten Lacher, denn sie haben selbst die größten Unterschiede zu uns offenbart – mit ihrem eigenen Augenzwinkern: sie haben gleich zugegeben, dass sie unpünktlich sind (wenn es sein muss halt auf die letzte Minute), sie kommunizieren indirekt, um höflich zu sein und brauchen die persönliche Beziehung. Regeln – ach nee, sind nicht dazu da um eingehalten zu werden 😀 und sie sind eher kollektivistisch eingestellt.
• Thailand, Philippinen: Die Kollegen gaben zu, dass sie sehr ähnlich Wertvorstellungen haben wie die Indonesier, hier unterschied sich nicht viel.
• Süd Korea: Aber hier wurde klar gemacht, dass die Koreaner die Pünktlichsten unter den Asiaten sind. Auf eine Uhrzeitangabe eines Koreaners ist immer Verlaß ! Regeln und Hierarchien scheinen ebenfalls wichtiger Bestandteil des Wertesystems zu sein. Die anderen Werte ähneln eher denen, der Kollegen aus Indonesien, Thailand oder Philippinen.
• Singapur und Malaysia: Die Kollegen stehen eher für eine direkte Kommunikation und das haben wir auch schon gemerkt. Hier ist für uns Deutsche die Kommunikation sicher am einfachsten.
  Und der nächste Lacher brachte zum Vorschein, dass sie zwar direkt kommunizieren, aber zumindest noch auf einem höflichen Level…. ok, verstanden ! 😉 Da muss ich mich tatsächlich anstrengen, wenn ich nicht unhöflich auffallen will. Ich bin dann doch für eine sehr (!) direkte Kommunikation bekannt. Der ein oder andere mir bekannte Leser wird jetzt schmunzeln oder grinsen.
  Pünktlichkeit ist aber auch in Singapur und Malaysia ein zumindest etwas dehnbarer Begriff….

Und wen hatten wir sonst noch ?

• Amerikaner: sie gaben an, nicht so direkt wie wir  Deutschen zu sein, aber auch nicht so indirekt wie die meisten Asiatischen Völker. Sie positionierten sich generell gerne überall eher in der Mitte.
• Polen: Die polnischen Kollegen sind uns doch sehr ähnlich in den Werten, aber sie betonten auch, dass sie zumindest auf höfliche direkte Kommunikation Wert legen. …. Noted ! 😉
• Südafrika: 2 Kolleginnen sind aus Südafrika dabei und sind zwar eher direkt in der Kommunikation, aber gaben zu eher unpünktlich zu sein. Last Minute is the key …. na das wird was.
  Wobei ich schon weiß, wer aus meinem Freundeskreis nun anfängt zu kichern, denn meine Pünktlichkeit steht vielleicht nicht unbedingt für ein wirklich deutsches Werteverständnis … danke, ich weiss und arbeite dran. 🙂

Also ich fasse kurz zusammen was ich für mein weiteres Projektleben gelernt habe: freundliche Emails verfassen, die allerdings häufig, denn nur wer oft nachfragt signalisiert, dass seine Anfrage wichtig ist. Auch bei der 5. Nachfrage höflich bleiben und nach der Familie fragen. Termine deutlich in Emails reinschreiben, verbunden mit Daten, Uhrzeiten und Zeitzonen-Angaben. Ein „Ja“ nicht unbedingt als „Ja“ nehmen, sondern lieber noch 5 mal nachfragen.
Dann schauen wir mal, was sie alle von meinem Prozessverständnis halten – so ein Projekt lebt ja auch davon, dass man sich an Prozesse und Regeln hält. Mal sehen wie ich das in unserem Team vermittelt bekomme. Und: ich arbeite weiter an meiner Pünktlichkeit – das deutsche Image muss auch im Ausland erhalten bleiben und nicht ausgerechnet durch mich zerstört werden ! 🙂

Aber wirklich nett und sehr hilfsbereit sind sie alle – und das ist schon mal ein verdammt guter Start !

Schönen Sonntagnachmittag nach Deutschland – Gute Nacht, Singapur !