Marrakesch – eine Stadt aus 1.001 Nacht
Marrakesch, die ehemalige Hauptstadt des marokkanischen Reiches, die mittelalterliche Stadt der Berber und für mich persönlich das zu Hause von Aladdin, genau dem mit der Wunderlampe, stand für uns schon seit langer Zeit auf der Reisewunschliste.
Wir hatten uns den März für einen Besuch ausgesucht, denn der März versprach warme frühsommerliche Temperaturen um die 20 Grad in Marrakesch und das war genau nach meinem Geschmack für einen 5-tägigen Städtetrip am Rande der Sahara und zu Füßen des Atlas Gebirges.
Leider ist das Klima nicht mehr so berechenbar und so war bereits eine Woche vor Abflug klar, dass die diversen Wetter-Apps sich alle einig waren und eine außerordentliche Hitzewelle genau an unserem langen Wochenende über der west-marokkanischen Millionenstadt prognostizierten. Mit Temperaturen bis 35 Grad war zu rechnen. Das warf jedoch meine Klamottenplanung über den Haufen.
Da Marokko ein islamisches Land ist und ich lokale kulturelle Gegebenheiten durchweg respektiere, war mir klar, dass ich trotz der ungewohnten Hitze nicht mit Spaghetti-Träger-Tops durch die Stadt rennen würde. Aber langärmelig, das fällt mir bei den Temperaturen auch schwer. Also musste eine gute Mischung her und mit ein paar lockeren Tüchern kann Frau sich an exponierten Stellen bei Bedarf auch entsprechend bedecken.
Und so war es ungewohnt, bei den niedrigen Temperaturen in Deutschland, die Jacke im Auto zurückzulassen und die Reise nur mit einem Pullover anzutreten.
Riad Kniza
Grundsätzlich bietet Marrakesch den Touristen zwei Möglichkeiten der Übernachtung an: entweder in den bekannten Hotelketten im modernen Teil der Stadt oder in den alten marokkanischen, palastähnlichen Häusern mit Innenhof in der Altstadt, der Medina. Letztere sind bekannt als Riads und werden mehr und mehr zu kleinen Boutique Hotels mit nur wenigen Zimmern umgebaut.
Wir hatten uns für das Riad Kniza entschieden, dass nur 5 Minuten zu Fuß vom Stadttor Bab Doukkala entfernt lag und marokkanischen Flair aus 1.001 Nacht versprach.
Das Taxi brachte uns bis hinter das Stadttor und dann ist Schluss für Autos und die Medina mit ihren engen Gassen und altem Kopfsteinpflaster beginnt. Ein Mitarbeiter des Riads holte uns mit einer Art Schubkarre für das Gepäck ab und schon waren wir mitten im Getümmel des Souks eingetaucht. Rechts und links boten Händler an ihren kleinen mobilen Ständen Brot und Fladen feil. Orangen stapelten sich zu Türmen auf dem Boden. Dazwischen tönte das Hupen der unzähligen Mopeds, mit denen man die Medina durchqueren durfte und die einen unfassbaren Abgas-Gestank hinterließen.
Wir bogen nach einigen Minuten rechts ab in eine ruhige Gasse und schon standen wir vor einer hölzernen Pforte mit Türklopfer und wurden in das Riad eingelassen.
Es war ein Eintauchen in eine andere Welt: ruhig, kühl, mit leiser Musik im Hintergrund und einem betörenden Duft nach Rosenwasser und Orangenblüten.
Ich liebe diesen Orangenblütenduft!
Dazu das Plätschern eines kleinen Brunnens in der Mitte des Innenhofs und wir wurden in einem dieser wunderschönen halboffenen Räume mit vielen Sitzgelegenheiten und Kissen empfangen und eingewiesen. Zur Begrüßung gab es – wie nun ständig an den folgenden Tagen – Pfefferminztee auf Basis von Grünem Tee und dazu typisches lokales Gebäck.
Unser Zimmer lag im ersten Stock, ruhig zum Innenhof hin, war dadurch auch leicht dunkel, aber kühl und mit wundervollen marokkanischen Mosaikfliesen rund um den Kamin dekoriert und liebevoll mit Rosenblüten überall geschmückt.
Wir können diesen besonderen Flair, den man durchweg in den Riads in der Medina erfährt, nur empfehlen, denn er macht einen großen Teil des Marrakesch Besuchs aus. Wenn man in Marrakesch in eine andere Welt eintauchen möchte, dann unbedingt in einem Riad.
Wir entdeckten dann für uns noch die Dachterrasse des Riads, die viel größer war als erwartet, einen tollen Blick über die Medina bot und viele Sitzgelegenheiten unter festen Baldachinen, die vor der Hitze schützten.
Dar Marjana
Den ersten Abend verbrachten wir im Dar Marjana, einem typischen Restaurant weiter drin in der Medina. Die Wegbeschreibung war klar: an der großen Palme links, dann geradeaus und noch vor dem großen Palast links in die Gasse. Der Inhaber sammelte uns gleich draußen ein, begrüßte uns auf französisch und wir wurden im halboffenen hohen Saal erstmal am Begrüßungstischchen platziert. Dort gab es den ersten Drink und wir durften unser Essen aussuchen, erst dann kamen wir zum richtigen Tisch unter eine riesigen Palme. Wir waren erstaunt, denn wir hatten nicht damit gerechnet, alkoholische Getränke zu erhalten, schließlich war seit letztem Sonntag Ramadan. Aber das war offensichtlich kein Problem: die europäischen Gäste erhielten anstandslos Bier und Wein.
Die lokalen Spezialitäten in Marokko sind natürlich Mezze (Vorspeisen), wie Humus oder marokkanischer Salat und als Hauptspeise Tajines in den typischen kegelförmigen Keramik-Brätern, in denen Huhn, Lamm oder Fisch lange gegart und sehr schmackhaft gewürzt wird. Dazu gibt’s Couscous und gegartes Gemüse.
Eine kleine Gesangseinlage mit marokkanischem Banjo und danach Bauchtanz rundete den Abend ab. Und ja, auch wir mussten mit auf die Tanzfläche und unsere steifen Hüften schwingen, die Bauchtänzerin kannte kein Pardon. 🙂
Stadttour mit Ali
Am nächsten Tag führte unsere Stadttour mit Ali uns zum Museum Dar El Bacha, dem großen Stadtpalast mit wunderschönem Garten. Dann ging‘s sozusagen auf Kaffeefahrt mit Kaufoption: erst zu einem grandiosen Lampenladen, der von außen klitzeklein aussah und innendrin wahre Höhen gewann für riesige marokkanische Hängelampen. Der Besitzer kicherte dann, er würde uns in Ali Babas Höhle führen, eine Etage tiefer mit noch mehr Dekoration und Lampen. Mich fasziniert das und wir haben uns tatsächlich eine schöne Stehlampe unter den Arm geklemmt und bis nach Hause getragen.
Der zweite Stopp war dann bei einem Teppichhändler, der unfassbar schöne aber auch viele Teppiche vor uns ausrollte, und zwar so, dass ich den Teppich-Staub ständig ins Gesicht geschleudert bekam und bei einem der Hustenanfälle konnte ich Ali unmissverständlich klarmachen, dass an uns kein Teppich zu verkaufen war. Ali nahm es mit Humor, der Teppichhändler eher weniger. Und so machten wir, dass wir davon kamen.
Der dritte Laden war wieder nach unserem Geschmack bei einem Gewürzhändler, der aber auch Kosmetikprodukte herstellte. Ganz bekannt ist Marokko hier für Produkte aus Arganöl. Hier hatten wir Spaß und konnten auch noch Sachen erwerben, die ohne Probleme in den Koffer passten.
Ali wollte dann zum Mittagsgebet in die Moschee, das war während des Ramadan nochmal wichtiger als sonst. Und so platzierte er uns am großen Platz Jemaa El Fna in einem Café zum Mittagessen und er ging in die Moschee. Da die jedoch nicht alle Betenden fassen konnte, wurde kurzerhand der halbe Platz umfunktioniert und wir konnten das Mittagsgebet zwischen Obst- und Gemüseständen mitverfolgen. Eine imposante Kulisse – vor allem noch mit den schneebedeckten Gipfeln des Atlas Gebirges im Hintergrund.
Abends ist dies der zentrale Platz der Touristenbespaßung: Schlangenbeschwörer lassen die Kobras aus dem Korb, andere lassen Affen an Halsbändern tanzen und Greifvögel an Ketten aufstellen. Dazu eine Horde an Taschendieben – und schon hatten Lindemann’s auf so einen gruseligen Umgang mit Tieren und Touristen keine Lust und ließen dieses Schauspiel komplett aus.
Stadttour mit Youssef
Der zweite Teil unserer Stadtführung verlief mit Youssef ganz anders. Youssef erzählte uns sehr viel aus dem Alltag in Marokko und wie die Menschen ihr Leben organisierten, was ihnen wichtig ist und welchen Umgang man miteinander pflegt. Wir lernten einiges über die Gepflogenheiten während des Ramadan und mit dem Wissen brachte er uns in die alte Koranschule aus dem 16. Jahrhundert Medersa Ben Youssef, die architektonisch interessant ist und mit wunderschönen marokkanischen Mosaiken dekoriert und Alabaster verziert ist.
Im benachbarten Museum für marokkanische Kunst und Geschichte konnten wir den alten Hammam besichtigen und von den Touristenmassen, die sich durch die Koranschule geschoben hatten, erholen.
Weiter ging es zu einer Kunstgalerie mit zeitgenössischer marokkanischer Kunst, die uns sehr beeindruckt hat. Danach waren allerdings wieder ein paar Läden auf dem Souk angesagt, bei denen Youssef seine Touristen wohl regelmäßig zur Shoppingtour ablieferte: einem Holzdrechsler, einem Goldschmied und einmal quer durch die Shops des Lederhandwerks.
Uns hatten die 36 Grad Mittagstemperatur jedoch so geschafft, dass wir uns nach einem ausgiebigen Stopp mit Lunch und was kaltem zu Trinken sehnten und daher die Souvenirs verschmähten.
Der Souk
Die Touren durch die unendlichen verwinkelten Gässchen des riesigen Souks in der Medina von Marrakesch sind aber auch energieraubend. Das ist eine Tour für alle Sinne, vor allem für den Geruchssinn. Das ist jedoch nicht immer mit den angenehmen Gerüchen der Orangenblüten und Gewürze verbunden, sondern vielfach mit der verpesteten Luft der durchrasenden Mopeds. Oft sind die Gassen oben geschlossen, um für Sonnenschutz zu sorgen, aber das bedeutet auch, dass die Abgase der Mopeds nicht abziehen und um Obst, Brot, Fleisch und Fisch den ganzen Tag herumwabern – und uns die Luft zum Atmen im wahrsten Sinne des Wortes genommen haben. Es war teilweise unerträglich. Für größere Transporte durch diese Gassen stehen Eselskarren bereit, die wie aus einer anderen Zeit anmuten. Esel werden hier jedoch rein als Nutztiere zum Transport betrachtet und müssen oft angeschirrt vor ihrem Karren in der Gluthitze stundenlang rumstehen und ausharren oder schwere Ladung über das Kopfsteinpflaster ziehen, als Ersatz für Transporter oder kleine LKW.
Dazu der Fisch, der von morgen bis abends auf dem Kopfsteinpflaster im Staub liegt. Die Lammhälften, Ziegenköpfe und Rinderbeine mit Hufen, die bei den Metzgern vor dem Tresen frei hängen oder in der Auslage liegen. Andere haben in ihrem winzigen Verkaufsraum hinten Regale voll mit lebenden gackernden Hühnern, die eng an eng in ihrem eigenen Dreck stehen. Vorne liegt dann das gerupfte Federvieh in einer kleinen gekühlten Auslage zum Verkauf bereit. Das muss man abkönnen!
Am Abend wird dann das ein oder andere nicht verkaufte Fleisch den unzähligen Katzen hingeworfen, die dann auf der Straße an Hühnerhälsen nagen.
Viele Touristen haben wir in diesen speziellen Souk Gassen nicht gesehen, aber es war eben direkt um die Ecke von unserem Riad.
Die Touris lassen sich dann doch lieber durch die hübschen Souvenirstände mit den kleinen Tajinen, über die Gewürzmärkte und vorbei an den Schmuckständen treiben, kaufen dann und wann einen Teppich, Ledergürtel oder Sandalen und mindestens einen Schlüsselanhänger mit Fatimas Hand. 🙂 Und jeder wartet in den Tiefen des Souks, dass endlich Aladdin mit seiner Wunderlampe aus einer engen Gasse kommt und ihnen 3 Wünsche gewährt.
Alles ist möglich in Marrakesch….