Neuseeland

Neuseeland #21: Autofahren & Reisen auf den Inseln

Das erste, das dem Festland-Europäer zum Thema Autofahren in Neuseeland einfällt, ist meist: falsche Seite – die Neuseeländer fahren links.

Auweia! Das ist meist die erste Reaktion dazu, aber nach meiner Meinung eher unbegründet. Man gewöhnt sich sehr schnell ans Links fahren, sobald man den ersten Kreisel geschafft hat – der sich oft direkt am Flughafen befindet – und zweimal links und rechts abgebogen ist, hat man den Dreh raus. Es hilft, dass man meist mit Automatik-Getriebe unterwegs ist und sich nicht aufs Schalten konzentrieren muss.

Nur eine Verwirrung hat sich durch die ganzen Wochen gehalten: ich habe oft mit dem Scheibenwischer geblinkt. Denn Scheibenwischer und Blinker sind hier vertauscht.

Mit Hinweis auf unseren Platten im Nirgendwo des Regenwaldes, möchte ich jedoch anregen, das Auto vor Abnahme an der Mietwagenstation auf einen funktionierenden Ersatzreifen zu prüfen. 🙂

Dirk war etwas unzufrieden mit unserem Mini-SUV von Kia, da das Platzangebot kaum für unsere Koffer, Rucksäcke, Lebensmittel und alles andere ausreichte, wir mussten immer die Rückbank umklappen. Angesichts der engen Serpentinen-Straßen war ich jedoch oft froh, dass ich mich nicht mit einem Nissan X-Trail durch die Serpentinen und an zahlreichen LKW vorbeiquälen musste. Jeder von uns zuckte auch so schon immer wieder mal zusammen, wenn der andere zu nah am Abgrund oder zu nah an den herabgefallenen Felsbrocken von oben vorbeisteuerte. Nach diversen Fluten, Überschwemmungen, Zyklon und Unwettern gab es die besagten Felsbrocken sehr zahlreich am Straßenrand, überhängende große Äste und abgebrochene und auf die Straße ragende Baumstämme ständig und überall.

Man musste immer hellwach sein beim Fahren und über die Länge der Strecken empfanden wir das teilweise sehr anstrengend, auch wenn wir uns oft abgewechselt haben am Steuer.

Nicht zu vergessen die ständig auf der Straße klebenden Reste von Possums und anderem überfahrenem Getier, die wir nicht zum 5. Mal platt fahren wollten.

Wir sind allerdings wirklich beeindruckt, wie schnell die Neuseeländer ihre Straßen immer wieder nach den Unwettern freiräumen. Das funktioniert sehr schnell und effizient, dass zumindest eine Spur befahrbar ist. Dafür steht dann schon mal spontan eine Ampel im Nirgendwo der Serpentinen, um den Verkehr sicher um ausgewaschene Stellen zu regeln.

Die Straßen sind jedoch teilweise so weggeschwemmt worden, unterspült, weggebrochen in den Abgrund oder auch einfach mal einen Meter abgesackt mit langer Bruchkante im Asphalt, dass weiterhin noch im Norden und vor allem im Westen der Nordinsel einige Regionen mit längerfristig gesperrten Straßen rechnen müssen. Bei einigen Straßendesastern haben wir uns gefragt, wie sie das überhaupt wieder herstellen wollen, wie die Straßen am Abgrund wieder befestigt werden können.

Der State Highway 1, der einmal von Nord nach Süd über beide Inseln geht und die Hauptverbindung darstellt, war uns erstmal ein Rätsel: wir hatten gehofft, er ist vergleichbar mit einer deutschen Nord-Süd-Autobahnverbindung, auf der man schnell mal ans andere Ende der Insel gelangt. Aber weit gefehlt! Zweispurig ist der SH1 nur in den seltenen Fällen, durch Auckland sogar 3-spurig, ansonsten reiht sich der Verkehr in einer Spur ein und langsame LKW können nur auf kurzen Überholstrecken hinter sich gelassen werden.

Über einspurige Brücken und als Hauptstraße durch viele kleine Orte führt dieser State Highway, so dass er letztlich versucht, viele verschiedene Ortschaften von Nord nach Süd und zurück miteinander zu verbinden. Das zieht sich!

Insgesamt ist daher für die Autofahrten immer mehr Zeit einzuplanen als Google Maps auswirft, denn sowohl diverse Stopps als auch die Straßensituation kosten deutlich mehr Zeit als wir uns vorstellen konnten – und Google Maps wohl auch.

Am Ende der Mietwagenzeit hoffen wir, dass bei jedem Mietwagen mal die Achse neu vermessen wird: so oft wie wir auf dem Highway durch Löcher, Absenkungen und über Steine gerumst sind, dass die gesamte Karre geächzt hat – und wir auch, lassen Achse und Unterboden freundlich grüßen.

Reisegeschwindigkeit mal Sehenswürdigkeiten = Level an Reisestress

Wir hatten uns unter anderem für unsere Reiseagentur Travelessence entschieden, weil wir zum einen Neuseeland nicht kannten, die Strecken nicht gut abschätzen konnten und zum anderen Travelessence uns erklärte, dass sie für eine sehr relaxte Tourplanung stehen. Nun haben Dirk und ich uns unterhalten und nach diversen Gesprächen mit anderen Reisenden festgestellt, dass fast alle Reisenden (ob mit oder ohne Travelessence gebucht) einen toughen Zeitplan für ihre Neuseelandreise haben – egal ob sie 3, 4 oder 5 Wochen hier unterwegs sind. Unsere fast 8 Wochen sind da schon ein deutliches Privileg. Allerdings sind fast alle anderen so durchgetaktet, dass sie an keinem Ort länger als 2 Nächte bleiben. (Der Rekord lag bei einem italienischen Pärchen, die pro Insel 10 Tage unterwegs sind und an jeder Destination 1 Übernachtung und 1 Aktivität „vollstrecken“ wollten.) Da sind wir mit 3 bzw. 4 oder 5 Nächten pro Location schon deutlich entspannter unterwegs. Und trotzdem bleibt immer noch viel auf der Strecke: auch wir mussten uns von manchen Stationen verabschieden, ohne alles gesehen zu haben bzw. mussten wir manche Hot Spots auch auslassen, wie zum Beispiel den Abel Tasman Parc. Das geht hier allen so – egal wie lange sie unterwegs sind.

Allerdings werden wir auch regelmäßig von Gastgebern und B&B Hosts angesprochen, wie es kommt, dass wir 3 oder 4 Nächte bleiben, denn das macht sonst fast kein Touri. Wir hatten bei unserer Reiseplanung darauf bestanden, dass wir das also noch relaxter planen als unsere Reiseagentur es für angebracht hielt, denn wir sind im Sabbatical und nicht auf der Flucht.

Das bedeutet, wir haben nicht den Anspruch alle Touristenattraktionen Neuseelands gründlich abzuhaken, sondern auch Zeit für uns ist uns wichtig: die Stunde am Meer, der Café in der Stadt, der entspannte Wein in den Weinbergen. Wir hatten in den vergangenen Jahren genug Stress, vor allem jobbedingt, das Sabbatical sollte uns verlangsamen und nicht neuen Stress bringen.

Wenn ich jedoch über die Mehrheit der Gespräche hier sinniere, dann fahren viele wieder nach Hause mit dem Gefühl gehetzt durch ein Land gereist zu sein und immer noch vieles verpasst zu haben. Ich bin gespannt, ob es uns auch so ergehen wird. Schade eigentlich, denn der Neuseeländer ist eigentlich ziemlich gechillt und es wäre schön, wenn sich das auch auf die durchreisenden Touristen übertragen könnte.

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