Neuseeland

Südinsel #1: Christchurch & Diamond Harbour

Es gab Momente im letzten Jahr, da habe ich stark gezweifelt, ob ich das Sabbatical antreten kann. Ich war mir nicht sicher, ob ich wirklich hier in Neuseeland ankommen würde. Meine Gesundheit hat mir in 2022 deutlich den Mittelfinger gezeigt.

Und dann sind wir Donnerstag morgen mit Singapore Airlines in Christchurch reingesegelt. Der erste Blick aus dem Flieger über die Berge der Südinsel haben mir dann tatsächlich ein Tränchen in die Augen getrieben.

Hier bin ich!

Einreise in Neuseeland

Die Einreise verlief auch hier problemlos. Es war nicht ganz so elektronisch wie in Singapur, aber das NZeTA wurde uns bereits im Dezember zu Hause in Sekunden nach Anmeldung in einer offiziellen Neuseeland App gewährt. Das NZeTA ist allerdings noch kein Visum, es berechtigt nur, den Fuß erstmal ins Land zu setzen und dann das Touristen Visum für 90 Tage zu erhalten.

Zuvor muss man im Flieger doch wieder komplett analog auf Papier den üblichen Fragebogen ausfüllen, der bei Ankunft gewissenhaft geprüft wird.

Besonders intensiv wurde danach gefragt, ob wir wirklich kein Obst oder andere frische Lebensmittel (Salami, Sandwiches) mit dabeihaben.

Unsere Wanderschuhe wurden tatsächlich in Augenschein genommen und auf Sauberkeit geprüft. Und wir konnten auch überzeugen, dass wir kein Zelt oder anderes bereits in Europa genutztes Camping-Geschirr im Koffer mitführen.

Ach ja, und sind Sie sicher, dass Sie kein Obst im Koffer haben? Keinen Apfel, keine Banane? – Nein.

Sie würde trotzdem gerne wissen, ob wir uns wirklich sicher sind, dass wir kein Obst dabeihaben. – Nahain.

Und als letzte Frage, wäre ihr (der Zollbeamtin) noch sehr wichtig zu wissen, ob wir vielleicht doch noch irgendwo eine Banane im Gepäck finden würden. – Nö, nein, gar nicht, nope!

Gut, dann durften wir zum nächsten Schalter, denn wir hatten ja angegeben, dass wir mehr als einen 3-Monats-Vorrat verschreibungspflichtige Medikamente dabeihaben. Als ich bei dem nächsten Zöllner dann das Schreiben von MedSafe, dem offiziellen Gesundheitsdienst des Gesundheitsministeriums, zückte, war der sprachlos und holte gleich einen Kollegen, um mit ihm zusammen das Phänomen „gut vorbereitete Europäer reisen ein“ verwundert zur Kenntnis zu nehmen. Wir wurden gefeiert! So ein Schreiben hatten sie noch nie gesehen, noch nie so gut vorbereitete Reisende vor sich gehabt, da ansonsten die Medikamente wohl eher ohne großartige Erwähnung durch den Zoll geschleust werden.

Ich hatte jedoch kurz vorher in Deutschland noch eine Doku gesehen über die „Border Patrol New Zealand“, also die Grenzkontrolleure, und ein Touristenpärchen wurde tatsächlich mit Banane ertappt, wofür sie 400 NZ Dollar Strafe zahlen mussten. Zudem wurde alles bei Einreise gescannt und suspekte Pakete und deklarierte Medikamentenpäckchen einfach vom Grenzbeamten geöffnet. Da wollte ich uns jeglichen Ärger ersparen und das ist auch voll aufgegangen.

Diamond Harbour & Charteris Bay

Unsere erste Unterkunft ist ein sehr nettes B&B in Diamond Harbour. Das liegt etwa 30 Minuten außerhalb von Christchurch, in der Charteris Bay, genau gegenüber von Lyttleton, dem Hafen von Christchurch.

Die besagte Bay besteht eigentlich aus einem alten Vulkankrater und so reihen sich die Berge rundherum um den Krater bzw. um die Bay an. Es sind noch keine beeindruckend hohen Berge, aber das Farbenspiel sticht hervor: die braunen Berglandschaften, durchbrochen von einigen grünen Waldstücken und Busch, darunter das fast türkisfarbene Wasser… wir sind erstmal überwältigt.

Wobei die braunen Berghänge, die man hier in der Region Canterbury überall findet, eher nachdenklich stimmen sollten, denn es ist alles zu trocken und von der Sonne verbrannt. Die Waldbrandgefahr ist groß und wird immer wieder auf großen Tafeln tagesaktuell angezeigt.

Wie wir erfahren, hat Neuseeland über Jahrzehnte Raubbau am Wald betrieben, Flüsse trockengelegt, um landwirtschaftliche Flächen zu generieren. Damit wurde jedoch das Land insgesamt ausgetrocknet und zählt nun zu den trockensten Gegenden der beiden Inseln. Viele Schafe und Rinder finden nun auf vielen großen Weiden Platz und genug zum Grasen, aber insgesamt sieht die Landschaft eher unwirtlich und verdorrt aus.

Das soll sich auf unserem weiteren Weg Richtung Süden und Westen wieder ändern, erzählen uns unsere B&B Gastgeber.

Diamond Harbour ist ein kleines Städtchen mit sehr freundlichen Menschen. Es gibt nicht allzu viel hier zu entdecken. Es gibt nicht mal ein Restaurant, sondern nur eine Bar & Eatery, aber die finden wir ganz passabel. Es gibt einen Mini-Hafen, von dem eine kleine Personenfähre rüber nach Lyttelton und zurück fährt. Ein kleiner Supermarkt, eine Tankstelle, das war’s. Dafür viele schöne Häuser mit Aussicht auf die Bucht und jeder mit seinem eigenen Boot vor der Tür.

Unser Fernglas liegt bereit auf dem Tisch am Fenster, denn angeblich kann man von unserer kleinen Terrasse aus auch Delfine und sogar manchmal Wale beobachten. Tatsächlich beobachten wir eher Wassersportler und Kreuzfahrtschiffe, denn Lyttelton hat wohl ein bekanntes Kreuzfahrtterminal.

Linksverkehr und andere Verkehrsregeln

Bis wir mit unserem kleinen Mietwagen in unserem B&B ankamen, hatten wir beide unseren Neuseeland-Führerschein bestanden: enge Serpentinen-Straßen, abschüssige Straßenränder, Linksverkehr !, 3 tote Possums.

Prüfung bestanden! 😀

Die neuseeländische Verkehrsregel ist hier eindeutig: für einen Kiwi (also den National-Vogel) musst Du eine Vollbremsung hinlegen, denn der ist unter allen Umständen zu schützen. Einem Schaf solltest Du zumindest ausweichen, aber bei einem Possum unbedingt draufhalten! Nur ein totes Possum ist ein gutes Possum, ist hier das Credo. Diese garstigen Beutelratten wurden irgendwann hier eingeführt und mangels natürlicher Feinde, hat es sich viel zu sehr vermehrt und ist zur Plage geworden. Und so zählten wir bereits am ersten Tag 3 tote Possums auf dem Weg, die jedoch nicht durch uns zu Schaden kamen, möchte ich hinzufügen.

An den Linksverkehr hatten wir uns innerhalb von einem Tag recht schnell gewöhnt. Ein Auto mit Automatik statt Gangschaltung hilft an der Stelle, denn man muss sich nicht aufs Schalten konzentrieren, sondern kann sich mit den ungewohnten Abständen links und rechts, dem Einfahren in den Kreisel nach links und dem richtigen Abbiegen beschäftigen.

Nur das Blinken mit dem Scheibenwischer muss ich mir noch abgewöhnen. 😀

Modische Dissonanzen

Ich muss unbedingt dieses Kapitel schreiben, ich komme nicht drumherum!

Innerhalb von den ersten 3 Tagen habe ich 5 Männer und 2 Teenager-Jungs mit VoKuHiLa gesehen! Das ist ein Frisuren-Trend hier!

Und für die nach 1990 geborenen sei hier angemerkt, der VoKuHiLa steht für Vorne Kurz Hinten Lang und ist ein Frisuren-Sinnbild der 70er und 80er Jahre.

Dieter Bohlen, David Hasselhoff, Patrick Swayze und auch Nena waren berühmte VoKuHiLa Träger dieser Zeit.

Aber was soll das bitte jetzt ????
MÄNNER! Bitte lasst den Shit! Es sah in den 80ern beschissen aus – und es wird im Jahr 2023 nicht besser.

Freundlich ist der Neuseeländer!

Wir sind sehr positiv überrascht, wie freundlich die Leute hier sind. Und damit meine ich nicht das übliche „how are you?“, mit dem man immer zuerst begrüßt wird. Auch auf das weitere „Wie heißt Du, woher kommst Du, wie lange bleibst Du“ war ich gefasst gewesen.

Aber darüber hinaus sind die Leute interessiert, wollen genaueres über uns und die Reiseroute wissen, freuen sich, dass wir uns ganze 7 Wochen Zeit nehmen, um NZ zu erkunden und verwickeln einen in Gespräche über Gott und die Welt. Es ist so einfach hier ins Gespräch zu kommen, man wird einfach von der Seite angesprochen.

Zum Beispiel in der kleinen Kunst Galerie in dem winzigen Ort Birdlings Flat an einem wunderschönen einsamen Strand gelegen. Eigentlich war es mehr eine als Werkstatt eingerichtete Bretterbude, in der das Künstlerpaar werkelt: er bearbeitet Holz und sie spinnt, färbt, walkt und häkelt mit Wolle.

Oder die Dame am Nebentisch in einer Bar in Christchurch, die aus Sydney kommend eigentlich über Auckland nach Vancouver zum Skifahren fliegen wollte.

Wegen der massiven Regenfälle und Flut in Auckland gestern wurde sie jedoch umgeleitet nach Christchurch und hoffte, heute dann wieder zurück nach Auckland und dann über Los Angeles und Calgary nach Vancouver zu kommen.

So vertrieb sie sich ein wenig die Zeit mit einem Schwätzchen mit uns.

Selbst die Grenzbeamten waren alle sehr freundlich, das sind wir so nicht immer gewohnt bei der Einreise in das ein oder andere Land.

Auch unsere B&B Gastgeber sind immer gewillt, uns gute Tipps zu geben und einen Schwatz zu halten und mehr über ihre Gäste zu erfahren.

Vielleicht kommt mir das nach 3 Jahren Home Office Einsiedelei auch nur grade sehr ungewohnt vor. 😀

Christchurch

Der ein oder andere, mit dem ich vor unserer Abreise gesprochen habe, war bereits vor einigen Jahren in Christchurch, die meisten in den Jahren nach dem großen Erdbeben im September 2010 und dessen noch zerstörerischem Nachbeben im Februar 2011, das Christchurch fast dem Erdboden gleich gemacht hat. Andere Reisende berichteten von den Bemühungen, die Stadt wieder aufzubauen, aber vieles war noch zerstört, wurde innovativ mit Containern überbrückt, bunt mit Graffiti übersprüht und wartete auf den Wiederaufbau. Nun war die Frage, wie sieht Christchurch im Jahr 2023 aus?

Sehr gemischt, kann ich sagen. Die Gebäude in der Innenstadt spiegeln eine Mischung aus dem erhaltenen alten viktorianischen Stil wider, dazu super-moderne neu aufgebaute Gebäude neben weiterhin zerstörten Häusern und Gebäuden, eingerüstet, zugenagelt, abgesperrt.

Die komplette Shopping-Meile ist neu aufgebaut, viele neue Hotels und Bürogebäude in Stahl & Glas, hyper-modern. Neue schicke Wohnhäuser, dazwischen alte, die fast zusammenfallen.

Und wir haben noch nie in so einer Großstadt so viele ebenerdige Schotterparkplätze gesehen. Das sind wohl die noch nicht wieder bebauten Flächen in der Innenstadt, die nun eine entspannte Parksituation ermöglichen, aber seltsam wirken.

Es gibt ein Earthquake Museum, das uns bei etwas mehr Zeit sehr interessiert hätte. Sichtbar und heiß diskutiert wurden eher die großen Bürogebäude, offiziellen Flächen und natürlich die zentrale halb eingefallene Kathedrale von Christchurch. Richtig hart hat es jedoch die Menschen aus Christchurch getroffen, persönlich, auf allen Ebenen. Sie haben wirklich schreckliche Zeiten durchlebt, Menschen verloren, Häuser und Wohnungen verloren, Jobs verloren. 10.000 sind aus Christchurch danach geflüchtet und nicht wieder zurückgekommen.

Aber so langsam kommt das Leben zurück – auch nach der Pandemie, meinte unser Trambahn-Führer. Und selbst die Kathedrale, über deren Wiederaufbau nun Jahre diskutiert wurde, befindet sich nun eingerüstet und wie Notre Dame in Paris im Wiederaufbau. Es tut sich was und der Trambahn-Führer meinte, das sei schließlich das Wichtigste, das kein Stillstand herrscht und es weitergeht.

3 Kommentare

  • Detlev

    Es freut mich zu lesen, dass Ihr und besonders Du, Simone, das Erreichen dieses langersehnten Ziels Neuseeland als Belohnung empfindet. Wir hatten seinerzeit (2008) noch das Glück, Christchurch in alter Pracht zu erleben und zu genießen. Wir wissen bis heute nicht, ob Menschen, die wir damals dort kennenlernten, das Unglück überlebt haben, weil kein Kontakt mehr gelang.

    Wir freuen uns auf weitere Beiträge und Fotos und loben Dich für die gewissenhafte Vorbereitungsarbeit mit Euren Medikamenten und allen anderen Details. – Aber mal ehrlich, wo hattet Ihr die Bananen denn versteckt?

    Mit nettem Gruß

    Biggi und Detlev

    • simlin76

      Wir müssen nochmal nach Neuseeland einreisen, da kann ich meine Verstecke doch nicht preisgeben. 😉
      Aber im Ernst: wir haben sogar unsere Trekking-Schuhe nochmal geschrubbt, damit wir keine Probleme in Australien bekommen. Denn die Schuhe und Sohlen haben sie in NZ tatsächlich inspiziert und wir wissen, dass das in AU ebenfalls passieren kann…. VG Simone

  • AK

    Schön zu hören, dass Ihr gut gelandet seid und die Fotos fördern auch gleich das Fernweh… Dirk, sieben Wochen in NZ sollten für einen Vokuhila doch reichen, oder?

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