Neuseeland

Südinsel #10: Franz Josef Glacier

Jetzt kommen wir zu der Fahrt, die mein autofahrerisches Können auf die Probe gestellt hat. 🙂 

Von Wanaka aus traten wir die lange Fahrt durch den Regenwald und über den Haast Pass an die Westküste bis nach Franz Josef Glacier an. Nun kann der ein oder andere natürlich fragen, warum fahren wir nach Franz Josef und nicht nach Sissi, aber dazu später mehr.

Wir fuhren zwischen den beiden Seen entlang: Lake Wanaka und Lake Hawea und genossen die morgendliche Aussicht auf Berge und die beiden im Morgenlicht glitzernden Seen, die sich am sogenannten „The Neck“ fast treffen, aber nicht ganz. The Neck, das ist eine kleine Enge zwischen den beiden Seen, die sie trennt. Oben kann man links auf Lake Wanaka schauen, rechts auf Lake Hawea – je nachdem von wo man kommt, natürlich umgekehrt, rechts Lake Wanaka, links Lake Hawea, versteht sich irgendwie von selbst …

Am Ende von Lake Wanaka kamen wir mitten im Mount Aspiring National Park an und wir fuhren immer mehr in den Regenwald hinein. Die Vegetation ändert sich, es wird sehr feucht, die Bäume und Farne werden immer größer, das Grünzeug dichter, die Stämme mit Moos überzogen. Es tauchen immer mal wieder Wasserfälle auf und die Anzahl der Autos nimmt kontinuierlich ab. Immer wieder fährt man über einspurige Brücken, bei denen immer eine Seite abwarten muss, bis sie wieder frei ist. Wobei wir nur sehr selten Gegenverkehr hatten. Die Brücken führen über Bäche und Flüsse, die aufgrund des allgemein trockenen Wetters nicht sehr gefüllt sind und das Flussbett liegt mit großen weißen Steinen und Kieseln oft frei.

Eine dieser einspurigen Brücken war sehr malerisch, verlief diesmal über einen tosenden Fluss, der fast wasserfallartig über riesige Gesteinsbrocken sprang. Ein fantastisches Fotomotiv! Dachte ich. Und da ich zu dem Zeitpunkt am Steuer saß, entschied ich, natürlich einen Fotostopp einzulegen. Das war sogar dort vorgesehen: nach der Brücke verlief die Straße um 90 Grad nach links und dann fingen am linken Fahrbahnrand gleich Parktaschen an, auf denen man sein Auto stehen lassen und dem besten Fotomotiv nachgehen konnte. Nun saß ich am Steuer rechts – ein nicht unerhebliches Detail, denn auf dem europäischen linken Fahrersitz wäre mir folgendes nicht passiert: ich habe die linke (extrem überflüssige…) Bordstein-Spitzkehre übersehen bzw. von meinem rechten Platz aus nicht sehen können und dachte, ich könne schnurstracks links auf die Parktasche fahren. Aber zwischen mir und der Parktasche war ein ca. 30 cm hoher Bordstein, nicht gekennzeichnet, grün bewachsen und Dirk brüllte nur laut „stooooppppp“ – aber es war zu spät und ich rumpelte mit dem linken Autorad über die Bordsteinspitze. Zum Glück war ich nur maximal 20 km/h schnell und stand schnell auf der Bremse, aber leider halt doch zu spät. Dirk bemerkte schon, dass das Auto hoppelte, auf meinem Weg zur Parktasche. Und da standen wir nun und begutachteten ein 5-Mark-Stück großes Loch in der Seitenwange des linken Vorderrades und eine bestimmt 6 cm dicke Schramme in der Felge.

Ich war geschockt!

Das ist mir in 28 Autofahrerjahren nicht passiert: ich hatte nie einen Unfall, nie einen Platten, musste noch nie einen Autoreifen selbst wechseln….

Aber was wäre ich ohne den besten Ehemann der Welt? Dirk hatte schon längst seine Fassung zurückgewonnen, hat mir null Vorwürfe gemacht, sondern einfach den Koffer aus dem Kofferraum geräumt und nachgeschaut, ob wir einen Ersatzreifen haben. Nun kann der süffisante Leser natürlich bemerken, dass man ja bereits bei Fahrzeugabnahme hätte prüfen können, ob ein funktionstüchtiger Ersatzreifen an Bord ist. Haben wir nicht – machen wir ab jetzt! Aber wir hatten Glück, das gute Stück war in gutem Zustand und das Werkzeug anscheinend auch vollständig. Ich hätte nun WLAN gebraucht und ein YouTube-Video zur Benutzung des Autohebers, aber Dirk war schon am Basteln und innerhalb kürzester Zeit war die Kiste angehoben und das Rad abgeschraubt. Leider nicht ohne einen Sandfliegenansturm mit Beißattacken, aber mit Antibrumm ultra tropical (was für ein Wortspiel zu dieser Aktion…) läufts dann auch mit dem Reifen.

Nun hört sich die Story vielleicht ganz lustig an, aber ich muss klarstellen, dass ich tatsächlich sehr geschockt und durch den Wind war und nach Montage des Notreifens und meiner verspäteten Fotosession an der Brücke mich erstmal nicht wieder hinters Lenkrad getraut habe. Die nächste Stunde Regenwaldfahrt bei reduzierter Geschwindigkeit hat also Dirk übernommen. 5 Wasserfälle und eine Mittagspause später war ich jedoch wieder bereit, mich mit maximal 80 km/h weiter durch den Regenwald, den Haast Pass runter an die Westküste zu schlängeln.

Die Küste ist überwältigend schön und so haben uns diverse weitere Fotostopps dafür entschädigt, dass wir mit 2 Stunden Verspätung endlich Richtung Franz Josef Gletscher unterwegs waren und auch dann ankamen.

Wie der Franz Josef Gletscher zu seinem Namen kam

Ich hatte zu Beginn eine Info zur Namensgebung von Gletscher und Ort versprochen, die ich hiermit nachreiche:

Der berühmteste Gletscher Neuseelands hatte bestimmt schon 6 verschiedene Namen. Zum Namen Franz Josef kam es 1865 als der deutsche Geologe Julius van Haast auf Entdeckertour auf dem Gletscher war und entschied, ihn nach dem österreichischen Kaiser Franz Josef zu benennen. Warum er ihn nicht Sissi-Gletscher genannt hat, entzieht sich leider meiner Kenntnis. 🙂

Julius van Haast hat weiterhin auch dem Fox Gletscher seinen Namen gegeben, und zwar zu Ehren von Sir Wilhelm Fox, dem Premier von Neuseeland.

Die romantischste Geschichte um den Namen dieses Gletschers ist jedoch die der Maoris, die den Gletscher Kā Roimata o Hinehukatere (The Frozen Tears of Hinehukatere) nennen.

Diese Story dreht sich um Hinehukatere, ein sehr starkes und unerschrockenes Mädchen, das sehr gerne in den Bergen kletterte. Eines schönen Tages überredete sie ihren Geliebten, Wawe, mit ihr klettern zu gehen. Wawe war weniger erfahren in den Bergen, aber er begleitete sie trotzdem, um einfach nur bei ihr zu sein.

Das Unglück geschah, als eine Lawine Wawe mit sich den Berg hinunter in den Tod riss. Hinehukatere war gramerfüllt. Nach Wawes Tod war ihr Herz gebrochen und ihre Tränen flossen den Berghang hinunter. Die Götter ließen ihre Tränen der Liebe (Maori: aroha) gefrieren in der Form des Gletschers als Erinnerung an ihren Kummer. Und so kam der Gletscher zu diesem schönen tragischen Namen Kā Roimata o Hinehukatere (Die Gefrorenen Tränen der Hinehukatere).

Der Franz Josef Gletscher hat, wie die Gletscher überall auf der Welt, auch schon einiges an Ausdehnung eingebüßt und ich habe ein altes Foto aus den 1930ern gefunden, das zeigt den Gletscher, wie er noch bis zur Straße reichte, viel weiter als jetzt.

Heute muss man schon weit ins Tal hineinfahren, um vom offiziellen Parkplatz aus bis zu einer gesicherten Stelle zu wandern, an der man den Gletscher noch sehen kann. Das haben wir natürlich getan, um uns den Franz Josef Gletscher und seine Ausläufer in 3km Entfernung anzusehen. Es gibt einige Wanderungen, unter anderem eine anspruchsvolle 6-stündige, die einen weiter an den Gletscher heranbringt. Alternativ kann man sich an eine der vielen Helikopter Unternehmen wenden, die von Franz Josef im Minutentakt starten und die zahlreichen Touris über den Gletscher fliegen und sogar oben landen. Ich weiß von einer Freundin, die genau das gemacht hat und mit einer ordentlichen Ausrüstung an Klamotten und Gletscherutensilien oben abgesetzt wurde, um mit einem Guide den Gletscher näher zu betrachten. Es muss eine großartige Erfahrung gewesen sei. Wir haben das diesmal ausgelassen.

Und wieder der Autoreifen

Stattdessen haben wir uns wieder um unseren Autoreifen gekümmert und nach Rücksprache mit Europcar einen Mechaniker in Franz Josef genannt bekommen, der uns einen neuen Reifen auf die alte verschrammte Felge draufschaffen sollte. Wir suchten also den Mechaniker und fuhren den Straßen auf der Karte nach, die wir von der Touristeninfo erhalten hatten: aus dem Dorf Franz Josef raus, 5 km in die Walachei, 3. Farn rechts, 2 schwarze Schafe weiter links und dann kamen wir auf einem geschotterten Hof mit großen Wellblechhallen und diversen riesigen Traktoren darin an: die KFZ-Werkstatt. 🙂

Der Mechaniker notierte sich die Reifengröße und versprach, bis zum nächsten Tag Ersatz zu beschaffen. Wir ließen das Rad mit dem kaputten Reifen dort und freuten uns, am nächsten Tag endlich wieder vier ordentliche Räder am Auto zu haben, um unsere nächste Etappe unbesorgt fortsetzen zu können.

Am nächsten Tag erhielt ich am Vormittag dann den Anruf des Mechanikers. Der gelieferte Reifen sei leider der falsche und da nun Freitag sei, könne der neue erst am Montag geliefert werden.
Dirk und ich sahen uns an: Enttäuschung pur. Wir mussten am Samstag bereits weiter zu unserem nächsten Etappenziel, ca. 280 km die Westküste hoch.

Wir beschlossen also, weiter mit unserem Notrad mit 80 km/h die Küste hochzufahren. Auf dem Weg zu unserem nächsten Ziel Charleston lag die größere Stadt Greymouth, die eine Europcar Station hatte (die einzige Station an der Westküste!). Hier wollten wir klären, ob wir schnell einen neuen Reifen erhalten können oder gegebenenfalls das Auto wechseln. Um das vorzubereiten, versuchte ich mein Glück bei den diversen Telefonnummern von Europcar, die uns zur Verfügung gestellt worden waren: dem Kundenservice, der Station in Greymouth, dem Roadservice. Ich wurde ungefähr fünf Mal weiterverbunden und landete jedes Mal im Kundenservice Center in… Manila auf den Philippinen! Die Service Mitarbeiter waren zwar sehr freundlich, aber das Problem lösen konnten sie von Manila aus leider nicht, ein Reifenproblem muss eben immer noch vor Ort gelöst werden.

Also verabredeten Dirk und ich, am Samstag morgen früh zu starten, um noch am Vormittag mit unserer verlangsamten Möhre von Kia nach Greymouth zu gelangen und eine endgültige Lösung des Reifenproblems bei Europcar herbeizuführen.

Wir waren leicht genervt… trotz Sabbatical-Tiefenentspannung. 🙂

Carve-Your-Own Pounamo

Die Gegend an der Westküste der Südinsel ist nicht nur bekannt als alte Goldgräberregion, sondern auch für den Abbau des neuseeländischen Jade-Steins. Die neuseeländische Jadesteinart nennt man eben auch Pounamo.

Und so hatte ich bereits im Vorfeld eine Steinschleiferei gesucht, in der man seinen eigenen Jadestein schleifen kann.

In Franz Josef war das möglich in der Te Koha Gallery und dort hatten wir morgens einen 2-stündigen Kurs gebucht.

Nun lässt Te Koha Gallery auf eine stylische Galerie im Zentrum von Franz Josef schließen, aber weit gefehlt: wir fuhren etwas außerhalb vom Ort auf einen Hof inmitten von Wiesen und Weiden, auf dem uns erstmal ein schnüffelnder Hund begrüßte und dann Jan Goodie, die Inhaberin und Jadestein-Künstlerin, die sich sehr für die Maori-Kultur und den Kiwi-Style interessiert. Im offenen Holzanbau befand sich die Gallery, in der man sich einen kleinen oder mittleren Stein auf einem langen Tisch aussuchen sollte nach dem Prinzip „Der Stein findet seinen Besitzer“.

Dann bekamen wir dicke bunte Schürzen an und gingen rüber in die eigentliche Schleif-Werkstatt. Hier gab es mehrere Schleifplätze und jeder bekam eine Einweisung in das grobe und feinere Schleifen. Ich hatte bei meinem Stein gleich die Idee, daraus einen dicken Tropfen zu gestalten und das lief auch so gut, dass Jan echt begeistert erschien.

Hinterher saßen wir zusammen im Hof, erhielten verschiedene Schleifpapiere und gaben dem Stein noch den letzten Feinschliff.

Jan bohrte in der Werkstatt schließlich noch ein kleines Loch in den Stein, ölte ihn, knotete einen Nylonfaden ein und schon hatte ich ein neues Schmuckstück um den Hals hängen. Ich war echt stolz darauf, es sieht nicht nur gut aus, sondern es fühlt sich richtig samtig an.

Auch Dirk hat sich hier einen eher schwarz-grünen Jadestein als Anhänger geschliffen und ein richtig schönes und ebenfalls samtig-weiches Stück erhalten.

Das hat sich wirklich gelohnt!

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