Südinsel #9: Kulinarisches Neuseeland
Wir müssen jetzt mal über’s Essen reden – und natürlich die neuseeländische Getränkewelt.
Wir sind ja vor unserem Abflug mehrfach gewarnt worden, selbst in Büchern stand, dass das neuseeländische Essen mehr schlecht als recht ist, sehr nah an den kulinarischen Tiefpunkten, die man gemeinhin aus Groß-Britannien so kennt. Mäßiges Pub-Essen, fettige Fish & Chips, pappige Pasta und läppische Pizza, das war’s.
Wir müssen nach 3 Wochen nun sagen: die Autoren scheinen schon länger nicht mehr hier gewesen zu sein. Wir haben bisher nicht einmal schlecht gegessen und das weder in Restaurants noch in Cafés oder Pubs.
Es gibt natürlich die kulinarische Anlehnung an die britische Küche, denn man bekommt gute Pies gefüllt mit leckerem zartem Rindfleisch oder auch eine vegetarische Variante. Fish & Chips, Banger & Mash, Sausage Rolls, aber alles mit guten frischen Zutaten, der Fisch lokal gefangen. Dazu halten vor allem die Cafés immer noch verschiedene Alternativen bereit: interessante und lecker belegte Sandwiches mit Avocados, dazu Frittatas, diverse Salate oder auch koreanische Buns mit frischem Lachs.
Die Neuseeländer können außerdem Steak: bei den großen Rinderherden nicht verwunderlich, steht auf fast jeder Karte ein gutes Ribeye, Filletsteak oder Sirloin. Außerdem gibt es natürlich Lamm, gegrillt, gebraten oder 12 Stunden butterzart gegart.
Was erwartet man im Land preisgekrönter und weltbekannter Weine? Schlechtes Essen zum guten Wein? Natürlich nicht!
Das hat seinen Preis und im Jahr 2023 ist das kein Schnäppchen, aber wer aus dem Rhein-Main-Gebiet mit seinen Preisen kommt und die 10% Inflation in Deutschland gerade aushält, der kann auch die Restaurant-Preise hier in Neuseeland einigermaßen ertragen, denn zwischen 20 und 30 EUR kostet auch in Deutschland ein gutes Steak im Restaurant.
Wir haben mittlerweile auch eine echt gute Pizza gegessen (von einem deutschen Auswanderer) und auch gute Pasta, die zwar nicht italienisch al dente ist, aber deutsch mittelweich. 😀
Supermarkt
Im Supermarkt sieht es preistechnisch etwas anders aus: da hier einiges auf die Insel geschippert werden muss, gibt es Lebensmittel, die deutlich teurer sind als zu Hause in Deutschland. Einiges ist vergleichbar – teuer. Sobald lokale Erzeugnisse verkauft werden können (z.B. Obst und Gemüse), wird es etwas günstiger. Alles in allem versuchen wir, uns gesund zu ernähren, mittags die Salatvarianten zu nutzen, nicht zu oft essen zu gehen, sondern auch unsere Kochoptionen in den Unterkünften zu nutzen und sind so auf einem ähnlichen Level wie in Deutschland unterwegs.
Generell stehen die Supermärkte denen in Deutschland in nichts nach! Überhaupt nicht. Und wir sind leidenschaftliche Supermarkt-Stöberer in fremden Ländern. 🙂
Dirk hatte schon die Augen gerollt bei der Vorstellung nun 5 Monate pappiges Weißbrot zu essen, da für ihn nichts über deutsches Vollkornbrot geht. Aber zumindest haben wir hier schon wirklich sehr gute Ciabatta im Supermarkt bekommen und Vollkornbrot vom deutschen Bäcker in Queenstown durch unsere B&B Gastgeberin.
Was uns immer wieder erstaunt ist die Wein- und Bierauswahl im Supermarkt. Da gibt es ganze Regalreihen, die hier jegliche Geschmacksrichtung abdecken und sowohl Wein als auch Craft Bier von lokalen Herstellern bevorzugen. Aber man fragt sich durchaus, warum in einem Dorf mit 300 Einwohnern, das Weinregal Dimensionen einnimmt wie auf einer Getränkemesse.
Dazu liebt der Neuseeländer nicht nur den Wein, sondern eben auch das Bier und daher wird viel Bier auf der Insel gebraut und so wie wir vernommen haben, ist die Hauptstadt des Craft Biers Wellington auf der Nordinsel. Davon werden wir dann noch berichten.
Frühstück
Das Frühstück ist hier eine ganz eigene Kategorie. Sobald wir als Selbstversorger eingebucht sind, gibt es morgens unsere Müsli-Schüssel mit Oats (Haferflocken) ergänzt um Mandelmilch und frischen Früchten.
Sind wir im Hotel oder B&B, haben wir schon alles an Frühstück erlebt: das Beste, Abwechslungsreichste bei Poppys in Wanaka (!) – und das nun ja, einfachste und nicht so leckere gab es auch schon. Das einfache beschränkt sich dann auf Toast, Butter, Marmelade, Peanutbutter,ein paar Haferflocken, Bohnen, Kartoffelecken, Tee und Kaffee. Aber auch die einfache Variante kann nett hergerichtet sein oder eben auch versifft und halb leer gegessen rumliegen…
Und dann kann ich einen neuseeländischen „Leckerbissen“ hier nicht unerwähnt lassen: Marmite oder Vegemite. Im Prinzip ist das Maggi zum aufs Brot streichen. Morgens zum Frühstück. Das scheint in vielen angelsächsischen Ländern sehr gängig zu sein – für mich ist es einfach nur widerlich. Und ich bin froh um jedes Nutella-Glas, das ich zu Gesicht bekomme.
Rotwild
Als wir gestern im Tal bei Johnny waren und klar wurde, dass er auf der einen Seite sein eigenes Rotwild auf seinem Besitz hegt und pflegt, er aber auch schon als Jäger viele Jahre unterwegs war, um professionell Wild für das neuseeländische Fleischbusiness zu erlegen, kam ich nicht umhin zu fragen, warum es hier so viele Rotwildherden gibt, die gehalten und gezüchtet werden wie Rinder- und Schafherden auch. Die Antwort hat mich durchaus überrascht: weil wir Europäer so viel Wildfleisch nachfragen und Neuseeland ohne diese Zucht von Rothirsch dem nicht nachkommen kann. Es wird also fast alles an Wildfleisch nach Europa exportiert. Deutschland kommt hier die Vorreiterrolle zu, aber auch England ist ein größerer Abnehmer.
Nun sehe ich natürlich, dass ganzjährig Wildfleisch in den deutschen Großmärkten angeboten wird. Allerdings ist die Auswahl trotzdem übersichtlich, in den Supermärkten und Discountern noch viel geringer, und mir ist nicht aufgefallen, dass die Deutschen so einen Wildfleischkonsum an den Tag legen. Auf Restaurantkarten kommt es vor, aber eher in der gehobenen und regionalen Küche. Bisher bekomme ich also die Mengen an Wildfleisch in Deutschland und den Rotwildherden hier in Neuseeland nicht so ganz überein.
Kaffeekultur
Es gibt ein kulinarisches Thema, das darf hier nicht fehlen: die neuseeländische Kaffeekultur. Die hat uns beiden Kaffee-Junkies doch sehr überrascht – und zwar durchweg positiv!
Es gibt nicht nur Kaffee in Hülle und Fülle und an jeder Ecke – er ist auch noch verdammt gut! Da fragt man sich, was die Engländer an der Stelle hier in Neuseeland richtig gemacht haben. Aber es waren gar nicht die Engländer! Es waren die Italiener. 🙂
Es gab eine italienische Immigrationswelle Mitte des 20. Jahrhunderts, die erst nach Australien geschwappt ist und dann nach Neuseeland. Die Italiener hatten ihre wunderbaren Espressomaschinen mit viel Dampf im Gepäck und so ist hier eine besondere Kaffeekultur mit eigenen Kreationen entstanden, zum Beispiel dem klassischen Flatwhite, der nach unserem Geschmack an den Cappucino heranreicht und sogar besser schmeckt. Jeder kleine Coffeeshop hat hier nun seinen eigenen Barista. Letztens habe ich in einem einfachen Café zwei Cappuccino to go kaufen wollen, da hat man sich doch glatt bei mir entschuldigt, dass grade kein Barista da sei und der Cappu vielleicht nicht ganz so perfekt in den Becher kommt. Ich hab nur leicht gelächelt: einen schlechten Kaffee hatte ich hier noch nicht, also nehme ich auch den ohne Barista.
Es ist auch nicht nur die Auswahl an Kaffeekreationen, die uns beeindruckt, auch für mich mit Lactoseintoleranz bin ich im Kaffee-Mekka angekommen. Jeder Coffee Foodtruck hat mehrere Milchalternativen: Mandel-, Hafermilch oder Sojamilch, aber auch Macadamiamilch gibt es gelegentlich.
Und so hatten wir zwar mal ein schlechtes Frühstück, dennoch wurde der Kaffee durch einen Barista zubereitet und war sehr lecker.
Dinner & Essenszeiten
Wir müssen über die Scotch Winebar in Blenheim reden! Eine Bar mit Restaurant, die für ihre Weine bereits ausgezeichnet wurde, aber auch den Cuisine Good Foods Award erhalten hat.
Wir hatten einen Tisch reserviert und kamen mit einem riesigen Kohldampf dort an. Für meinen Geschmack war es viel mehr eine Bar, in der man an Stehtischen ein Weinchen trinkt, als ein Restaurant, aber wir bekamen unseren reservierten Tisch. Was ich sehr mag, ist, wenn die Menü-Karte übersichtlich und ungeschnörkelt daherkommt. Dann gibt sich der Koch hoffentlich bei den einzelnen Gerichten Mühe und ich habe wenig Not mir was auszusuchen. Hier war das anders: ich hatte deutliche Mühe, überhaupt die Karte und die Kombinationen zu verstehen!
„Gurnard, dashi meringue & lacto plum” – what ?
“Green beans, za’atar, preserved lemon” – hmmm ?
“fermented honeycomb” – puuuhhh.
Ich habe mich für die zwei Vorspeisen entschieden, die ich einigermaßen mit Hilfe von Leo und Wikipedia einschätzen konnte. Kein guter Ausgangspunkt bei hungrigen Lindis. Dazu selbstgebackenes Sauerteigbrot, das musste irgendwie reichen.
Was wir nicht bedacht hatten, war, das mit einem Food Award auch die Mengen auf dem Teller erheblich sinken.
So waren wir dann von der Qualität der Vorspeisen voll überzeugt – aber weiter hungrig. In der Weinbar weitere Essen nachzubestellen, möchte ich mit dem Verweis auf Leo und Wikipedia an dieser Stelle ausschließen. 🙂
Und so saßen wir um 20 Uhr immer noch hungrig in der Weinbar, hatten aber schon genug Wein gehabt, um weitere Ideen zu diskutieren! Nebenan war ein Dönerladen und wir hatten ewig keinen Döner mehr gegessen…
Dirk und ich grinsten uns an, zahlten schnell, stürmten aus der Weinbar – und versuchten nebenan in den Dönerladen zu kommen….. der grade am Schließen war, der Dönerspieß leer und wir fassungslos, dass ein neuseeländischer Döner in der deutschen Döner-Hauptessenzeit gegen 20 Uhr bereits schließt!
Ich weiß nicht, was wir getan hätten, wenn nicht gegenüber ein netter Pub gewesen wäre, in dem wir noch ein paar Chicken Wings serviert bekamen – zusammen mit einem frisch gezapften Hazy IPA.
Gut, auch der Pub schloss seine Pforten um 22 Uhr an einem Samstag, aber wir waren um kulinarische Erfahrungen reicher.
Das Thema mit den Uhrzeiten verfolgt uns übrigens über beide neuseeländischen Inseln, wir haben auch versucht rauszufinden, warum das so ist, aber letztlich haben die Neuseeländer einen komplett anderen Rhythmus und sind morgens recht früh unterwegs, sie essen deutlich früher, abends bereits ab 17:30 Uhr und dann schließen die Restaurants eben sehr oft schon um 20 Uhr oder 21 Uhr. In größeren Städten mal um 22 Uhr, aber das auch nur an den Strandpromenaden und im Sommer.
Wir haben uns mittlerweile angepasst, aber mal bis Mitternacht im Pub sitzen, ist leider bisher kein Bestandteil des Sabbaticals geworden.
Mal schauen, vielleicht gibt es ja noch das ein oder andere zu berichten, dass ich dann in diesem Kapitel ergänzen werde.